Tour de Provinz
Das vorliegende Buch, ein literarischer Reiseführer zu besonderen Orten in der Soester Börde, war eines der aufwendigsten Buchprojekte des „BördeAutoren e.V.“. Die Absprachen über Orte, Figuren und Geschichten, die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und ihr Engagement für das große Ganze haben die Charaktere und ihre Abenteuer erst lebendig und möglich gemacht. Neben kuriosen Charakteren mit teils haarsträubenden Motiven, bestimmte Orte aufzusuchen, spielen die jeweiligen Sehenswürdigkeiten ihre besondere Rolle in den Geschichten. Sie sind Teil und bedeutend für das Abenteuer. Denn sie sagen nicht nur dem erfolglosen Archäologiestudenten, den verhinderten Liebespärchen, deprimierten Rentnern oder dem einen oder anderen halbseidenen Ganoven im Bus etwas, sondern auch ihren Schöpferinnen und Schöpfern, die als Autorinnen und Autoren nicht nur in der Börde leben, sondern ihr in ihren Werken literarisches Leben einhauchen. Der schreib- und literaturverliebte Verein ist ein Teil der kulturellen Landschaft in und um Soest geworden. Vielleicht sind es nicht immer touristisch erschlossene, gemeinhin bekannte Orte, die unser BördeBus ansteuert, aber alle haben ihren eigenen Zauber, ihre Bedeutung oder ihren Platz in der Geschichte – und ermöglichen eine Begegnung mit dem Menschlichen – oder seinen Abgründen.
Durch die Augen der Charaktere vermitteln diese Orte die Faszination für die Gegend rund um die alte Hansestadt Soest, bis nach Lippstadt, zur Wewelsburg und zum Rand des Sauerlands. Es geht – nicht nur inhaltlich, sondern auch metaphorisch gesehen – von Nord nach Süd, von Ost nach West, in luftige Höhen, unter die Erde und zurück in die Vergangenheit – was die Zukunft wohl für die Reisenden bringt?
Von Bäumen und Menschen
Wild- und Trüffelschweine sind gleichermaßen auf dem Platz vertreten
Es gibt zwei Sorten von Schweinen, die Wild- und die Trüffelschweine. Die Wildschweine werden jährlich mehr oder weniger erfolgreich von den Greenkeepern bekämpft, wenn sie mal wieder den Golfplatz mit einem Buddelplatz verwechseln. Dann gibt es noch die sogenannten Trüffelschweine, die man nicht bekämpfen kann, da es sich hierbei um die Gattung der Homo sapiens handelt, oder einfacher ausgedrückt, um Golfer, die den Platz nach Bällen abgrasen. Aber davon später mehr!
Wenn auf eins im Herbst Verlass ist, dann ist es die Anreise der Wildschweine mit der kompletten Verwandtschaft im Gepäck. Offensichtlich haben sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Golfplätze zu verwüsten, wobei sich ihr Hauptaugenmerk auf das Zerstören der Abschläge konzentriert. Eine echte Plage und ein fast aussichtsloses Unternehmen, sie zu vertreiben.
Die Greenkeeper geben alles, um sie irgendwie fernzuhalten. Da werden kilometerlange Elektrozäune gezogen, die so gut wie nutzlos erscheinen. Sie haben nur den einen Effekt, dass wir Umwege latschen müssen, um den Zaun zu umschiffen. Ortsunkundige Golfer laufen Gefahr, über besagte Zäune im hohen Bogen zu fliegen, da man sie kaum wahrnimmt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Wildschweine lauernd hinter den Bäumen hocken, sich über die Greenkeeper halbtot lachen und die Golfer observieren, um sich genau die Stelle zu merken, wo sie sich später gefahrlos anschleichen können.
Wahrscheinlich haben sie irgendwo im Wald einen Fernseher gebunkert und schauen sich öfters den Film: „Und täglich grüßt das Murmeltier“, an. Denn kaum haben die Greenkeeper mühselig die Orte der Attacken einigermaßen „geflickt“, sind sie in der Nacht wieder da und schaufeln alles fröhlich um. Eine zusätzliche Variante, um ihnen (den Golfern übrigens ebenso), die Lust auf einen Trip über den Platz zu vermiesen, sind Stänkermittel, die auf einen Lappen geträufelt und an Pfählen aufgehängt werden. Das Zeug stinkt fürchterlich. Für den ahnungslosen Golfer, der dieses „verminte“ Areal tagsüber quert, ist eine flache Atmung sowie Tuch vor Mund und Nase empfehlenswert, bevor er in Ohnmacht kippt.
Meine allerbeste Golffreundin und ich haben unsere eigene Methode, wir rauchen, hilft zwar auch nicht, aber lenkt von dem bestialischen Gestank ab. Der Geruch scheint die Wildschweine überhaupt nicht zu interessieren, sie treten unverdrossen ihre abendlichen „Startzeiten“ an. Als ich mit einer Golferin neulich über den Platz trabte, schnupperte sie und fragte: „Riechst Du es auch?“ „Jou, riecht irgendwie nach Maggi“, registrierte ich. „ Es sind hier in der Nähe Wildschweine, die sondern den Geruch ab“, klärte sie mich auf. Na klasse, mir ging die Düse! Sie musste es ja wissen, da ihr Mann Jäger ist.
Leicht panisch schritt ich eilig voran. Ich weiß nicht genau, wovor ich mehr Angst habe: Grottenschlecht zu spielen, vom Ball eines Mitspielers abgeschossen zu werden oder mit den messerscharfen Hauern eines Wildschweines Bekanntschaft zu machen. Jedenfalls habe ich jetzt ständig den Maggigeruch in der Nase, wenn ich mal alleine unterwegs bin, und schiele eher in Richtung Wald, als dass ich mich auf mein Spiel konzentriere, was sich vorsichtig ausgedrückt, suboptimal auf meinen Schwung auswirkt.
Bin ich froh, wenn die blöden Viecher irgendwann wieder auf wundersame Weise den Abgang machen. Weiß der Henker, wo sie sich dann aufhalten. Ist mir auch egal! Hauptsache weg. Wahrscheinlich hängen sie im Wald ab und planen schon die nächste Invasion für das kommende Jahr.