Von Bäumen und Menschen

Kurzgeschichten aus der Natur

Hubert Koch (89) war Förster in der Landesforstverwaltung NRW und hat bis 1999 die Gemeindeforststelle in Niedersfeld als Nachfolger seines Vaters geführt. Seine Erfahrungen und Gedanken über Bäume und Menschen hat der Niedersfelder niedergeschrieben. Und so beginnt das Buch des erfahrenen Forstmannes: „Am Anfang der Betrachtung ein Zitat. Bert Brecht schrieb auf dem Höhepunkt der Nazi-Diktatur folgende Zeilen: Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt.

Gegenwärtig ist es angesagt, diesen Satz umzustellen: Es ist fast ein Verbrechen, in diesen Zeiten nicht über Bäume zu reden, sondern über Mode, Fußball und anderes.

Das Unrechtregime, über das lange geschwiegen wurde, dauerte 12 Jahre. Das Thema heute hat einen Rahmen, der die Erd-, Wald- und Menschheitsgeschichte berührt. Nur über einen kleinen Abschnitt daraus können wir hier sprechen. Zur Eingrenzung des Themas steigen wir in die Geschichte ein nah an der Gegenwart, nämlich am Ende der letzten Eiszeit und aus der großen Vielfalt der Bäume wählen wir die Arten, Buche und Fichte.

Das Klima der Eiszeiten löste unter der vielfältigen Gemeinschaft der Bäume eine Massenflucht von Nord nach Süd aus. Sie suchten Asyl in vom Eis verschonten Refugien am Oberrhein und im Mittelmeerraum. Von da aus setzte dann nach dem endgültigen Verschwinden des Eises die Heimkehr der Bäume ein, allerdings nur für die Arten, denen der südliche Lebensraum zu heiß und zu trocken war.

Die von West nach Ost verlaufende Alpenregion umgingen sie im Westen durch das Rhonetal und im Osten wählten sie die Balkanroute. Auf den Wegen nach Norden siedelten sie da, wo es ihnen zusagte und wo sie den Kampf gegen konkurrierende Baumbrüder und Schwestern gewannen, oder sich mit ihnen arrangierten. Daraus entstanden Mischwälder, deren Gelingen von Toleranz und Anpassung abhängt. Bis zum Endzustand der Wälder gab es einige Vorstufen wie Tundra- Zwergstrauch-Birken- Haselzeit usw.

Wir beobachten unsere beiden Hauptdarsteller. Die Buche hatte um 800 v.C. den mitteleuropäischen Raum ziemlich kompromisslos besiedelt. Diese Region war weltweit das einzige geschlossene Buchengebiet. Im Osten bilden die Ukraine und Polen, im Süden Mittelitalien, Mittelgriechenland und die Pyrenäen, im Westen die Kanalküste und im Norden Ostdänemark und Südschweden die Grenze. In England und Irland galt für die Buche damals schon der Brexit.

Die Fichte wanderte über die Balkanroute, besiedelte die höheren Lagen der Alpenregion, Osteuropa, Baltikum, Russland bis zum Ural und Skandinavien von Norden. Ganz in unserer Nähe führte ihre Wanderstrecke vorbei, nämlich in den Hochlagen des Thüringer Waldes und des Harzes. Der Sprung ins ca. 200 km westlich entfernte Sauerland gelang nicht, hier herrschte das Matriarchat Buche.

Die Auswahl der beiden Baumarten für unsere Betrachtung ist nicht zufällig

Beide Arten haben das Leben der Siedler des Sauerlandes erst ermöglicht und dann begleitet. Mit dem Wachsen der Bevölkerung nahm die Rodung des Buchenurwaldes in Mitteleuropa ständig zu und am Ende dieser Periode, um 1400, war noch ein Drittel des Urwaldes übrig, aus dem allmählich Wirtschaftswald wurde. Dieses Wald-Feldverhältnis ist bis heute geblieben, wobei immer noch Flächen für Siedlung und Verkehr beansprucht werden. Der Begriff nachhaltige Nutzung war zwar im Jahr 1713 erfunden, wurde aber nicht angewandt. Im Sauerland zum Beispiel war der Waldanteil höher als in den fruchtbaren Niederungen, aber die Gewinnung und Verarbeitung von Eisenerz erforderte große Mengen Holzkohle, die eine nachhaltige Waldwirtschaft nicht hergab, also wurde Raubbau betrieben. Anschließend verhinderte das Weidevieh auf diesen Flächen eine natürliche Wiederbewaldung und die ständige Nutzung des Bodenbewuchses zur Viehstreu ließ sie zu baumlosen Heidesteppen werden.

Was an Buchenwald übriggeblieben war, stockte meist auf extremen Standorten, oder war durch Übernutzung zu Niederwaldformen degradiert.

Die Begegnung Mensch – Buchenwald, so kann man bilanzieren, ging für die Mutter des Waldes nicht gut aus. Das Ende des Holzkohlenzeitalters war besiegelt, als man die Steinkohle entdeckte. Versuche, auf den Heideblößen künstlich den Buchenwald zurück zu holen, scheiterten.“

  • Preis: 17,90 Euro

  • Erscheinungsdatum: Februar 2023

  • Format: 20 x 24 cm - 118 Seiten

  • ISBN: 978-3-948496-64-7

Hubert Koch

Über die Autorin

Hubert Koch, geboren 1934 in Niedersfeld, dort auch aufgewachsen. In der Zeit von 1953 bis 1961 Ausbildung zum Revierförster im Land NRW. Bis 1964 Dienst in der Landesforstverwaltung NRW, danach Übernahme der Gemeindeforststelle von Niedersfeld, übernommen von seinem Vater bis 1999.  (hubert.koch@gmx.de)