Giebelritt durchs Sauerland
In Winterberg fand von 1521 bis 1523 der erste für das Sauerland überlieferte Hexenprozess statt: das winterbergisch Halsgericht. Angeklagt wurden sechs Frauen und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Was bei diesem ersten Prozess erschreckt, ist die Hartnäckigkeit, mit der Winterberger Bürger auf ihren Vorwürfen beharrten und immer wieder an das Gericht herantraten. Sie ließen nicht locker, bis die Frauen verurteilt wurden. Die Hintergründe, die durchscheinen, könnten aus einer modernen Soap stammen. Da wird krakeelt und gespuckt, Beleidigungen getauscht, sich gegenseitig geschadet, Sex am Zaun praktiziert und geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist. Immer wieder sind es die gleichen Namen, die mit dem scheinbar aus diesen Streitereien resultierendem übernatürlichen Geschehen in Verbindung gebracht werden: Stine Kappen, die vom Speck-Hof, Adelheid vom Ebbinghofe, Gertrud Hesseken, Katharina Herder und des Anton Meisters Frau (vielleicht die Frau, die als die Schultesche im Protokoll auftaucht). Zum Zeitpunkt dieses Prozesses war die Feme-Gerichtsbarkeit von Bedeutung, und die Winterberger zogen nach Medebach, um dort die Frauen am Freistuhl der Zauberei anzuklagen. Freigraf Heinrich Beckmann hörte sich die Beschwerden an, schien aber skeptisch zu sein. Es sagte kein Geschädigter direkt aus, sondern andere Bürger, so etwa Heinrich Teichhof. Was er berichtet, ist nach heutigen Maßstäben Hörensagen. Vor allem geht es um wechselseitige Beleidigungen, man sei ein Zauberischer. In Winterberg lag der angebliche Schadenszauber, den die Zauberischen praktizierten, auf dem Butter- oder Milchzauber. Molketoversche, Milchzauberer, warf man sich gegenseitig an den Kopf. Der Freigraf blieb skeptisch und schickte die Delegation nach Hause. Hartnäckig erwirkten ie Winterberger im Jahr 1522 Haftbefehle, und es kam zu einem ersten Gerichtsprozess. Aussagen von Zeugen liegen nicht vor, offenbar reichten dem Gericht die Bekenntnisse der angeklagten Frauen – natürlich durch Folter entstanden. Adelheid vom Ebbinghof führte zunächst sehr real klingende Taten an: den Diebstahl einer Speckseite, von Bauernleinen oder Wolle. Besonders fantasievoll zeigte sich Gertrud Hesseke beim Namen ihres Teufelsbuhlen: Er hieße „Einhorn“. Sie gestand, dem Buntkirch das Bier auslaufen gelassen zu haben und Streiche gegen Braun Schöttler und einen Greben gespielt zu haben. Im Zentrum von Stine Kappens Aussage steht der Milchzauber, der ausführlich beschrieben wird: An drei Donnerstagabenden müsse man in des Teufels Namen ein Holunderrohr schneiden, dieses in die Milch geben und unter das Futter mischen. Dann müsse man die Milch mit dem Holunderrohr in das Butterfass geben und schon hätte man Butter und Käse in Hülle und Fülle. Zauber mit Tierhaaren, um das Vieh zu schädigen, oder ostienfrevel finden Eingang in die Aussagen. Dazu Schilderungen der Buhlschaft mit dem Teufel auf dem Teufelstanz an einem Heiligenhäuschen. Damit waren alle Voraussetzungen für einen Teufelspakt der Zauberischen mit dem düsteren Herrn und Meister gegeben. Dennoch wurden die Frauen nicht verurteilt. Es scheint, als habe das Gericht entschieden.