


HESSE GEHT – Damian Maria Rabe
Ich habe null Bock auf euch
oder
Wie die strategische Ausrichtung der Produktqualität im freien Wettbewerb transparent & verantwortungsvoll zu handhaben ist und mit Blick auf bestehendes Marktrecht bei allen geschäftlichen Aktivitäten auf uneingeschränkte Aufrichtigkeit, Integrität & Fairness zu überprüfen ist
Hesse passierte die erste Polizeisperre. „Ausweis!“, knurrte der Polizeibeamte. „Wie bitte?“„Den Personalausweis, bitte!“ Hesse war genervt. „Sagt mal, ist das hier ein Bürgerkrieg mit Ausgangssperre oder was soll das?“ Er wollte weitergehen. Die anderen Beamten, die bis dahin locker gruppiert unter dem Schein der Straßenlaterne gewartet und lässig Zigaretten geraucht hatten, richteten sich auf, führten die Hände in Richtung Hüfte und kamen drohend näher. Hesse merkte: Die Anspannung, unter der sie standen, wollte zum Ausbruch kommen. „Welches Gesetz sagt, dass ich mich in Hamburg als unbescholtener Passant ausweisen muss? Ich kenne keins.“ Die Polizisten hatten ihn eingekreist, der Weg war versperrt. „Junger Mann, das ist meine letzte Aufforderung. Hier gibt es kein Gelaber! Den Ausweis!“ Hesse roch in seinem Atem die Hackboulette, die wohl sein Abendessen gewesen war. „Zeigt mir euren Einsatzbefehl.“ Hesse war noch mutig. „Das ist mein Recht, mein Bürgerrecht.“ „Ihr renitenten Arschlöcher“, zischte da der Beamte und sprang auf Hesse zu. Gleichzeitig spürte er, wie sein Arm in einem unmöglichen Winkel auf seinem Rücken verdreht wurde. Der Schmerz nahm ihm fast den Atem. Ein dritter Ordnungshüter riss gewaltsam seine Beine auseinander, indem er ihm seinen Oberschenkel mit dazugehörigem Stiefel in den Schritt stellte. „Wenn du glaubst, du kannst hier Pogo machen, bist du schief gewickelt. Wir sind schon mit ganz anderen fertiggeworden.“ Hesse sah noch ein goldenes Sternchen auf dessen Jacke, als er einen Schlag auf den Hinterkopf bekam, nach vorne stolperte und aufs Parkett fiel. „Du anarchistisches Stück Scheiße!“, schäumte der Hochdekorierte. „Wo hast du den Ausweis?“, und er wühlte in Hesses Mantel. „Ja, is ja gut!“ Hesses Kopf dröhnte. „Ihr habt gewonnen! Ihr habt verdammt noch mal gewonnen!“ Und er versuchte, mit der freien Hand sein Portemonnaie aus der Hosentasche zu ziehen. Drüben auf der Werft sah er den Funkeinflug eines Schweißgerätes in die Nacht sprühen. Er spürte den Stiefel im Kreuz und hielt still. „Thomas Bruno Hesse“, las das hochdekorierte Sternchen sachlich. „Was wollen Sie hier?“ „Ich bin zu keiner Auskunft verpflichtet.“ Hesse bewahrte seinen Bürgermut auch noch, als sein Kinn übel auf die Steine gequetscht wurde. „Pass mal auf, du versnobter Scheißer. Und wenn du der Papst oder sonst was bist, ich reiß dir den Arsch mitsamt deiner Boss-Hose auf, wenn du nicht gewillt bist, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Hesse wollte eigentlich nicht arbeiten. Er wollte nur einen Bekannten besuchen. Der wohnte zurzeit wohl in einem Kriegsgebiet. Das hätte der auch andeuten können. „Nichts, nur ein Besuch.“ Als sie Hesse runter bis zu den Hoden gefilzt und seine Personalien aufgenommen hatten, konnte er gehen. Die Schulter schmerzte ihn. Die zweite Sperre passierte er problemlos und auch die dritte ließ ihn glatt durch. Sie hatten sich wohl über Funk abgesprochen. Hesse kochte. Hätte er ein Schwert gehabt, er hätte blankgezogen, in die grüne Übermacht eingestochen und den einen oder anderen enthauptet. Ihn schüttelte es. „Ich bin es!“ Er klopfte laut an die verbarrikadierte Tür. Dann trat er einen Schritt zurück. Ganz oben öffnete sich ein Fenster. Ein Kopf schaute nach allen Seiten. In einem zweiten Fenster im ersten Stock erschien ein Latino-Gesicht, hielt einen Fotoapparat mit montiertem Blitzlichtgerät nach draußen und drückte ab. Für den Bruchteil einer Sekunde war die gespenstische Szenerie in gleißendes Licht getaucht. Dann, nach einer Weile, flog ein Schlüssel herunter. Auf der Fassade stand gemalt: „Haut ab. Geht doch kacken.“ Hesse grinste. Hier hatte er seine Freiheit. Unabhängiges, selbstbestimmtes Leben, Verzicht auf Komfort und Konsum, keine Führung, keine hierarchischen Strukturen. Er wollte Josef besuchen. Ihm eine Frage stellen. Josef sprach leise, hatte einen sanften Händedruck und ein sanftes Wesen. Er ging mit den anderen über hundert Bewohnern auf in der Sanierung dieser zwölf Häuser der Hafenstraße. Josef hatte als Schiffsingenieur und als Grafikdesigner gearbeitet. Zuletzt war er ein gut bezahlter Programmierer gewesen. Hesse hatte ihn über den abtrünnigen Jörn Lose kennen und schätzen gelernt, bevor sich Josef aufmachte, Blochs Utopie realiter umzusetzen und sich zu den Hausbesetzern zu begeben. Hesse nahm die Tür, ging rechts an der so genannten Volxküche vorbei, öffnete ein paar der armierten Wohnungstüren, an denen schon manche Kettensäge der Polizisten gescheitert war, erklomm eine marode Treppe, wagte gar nicht erst, das Geländer zu fassen, und stand plötzlich ohne Licht da. Die Zeitschaltuhr tauchte das Treppenhaus 116 ins Dunkel. Hesse aber kannte den Weg. Er tastete sich nach oben und stand im Zimmer von Josef. Der grüßte cool und winkte ihm, sich zu setzen. Eine abgewetzte Matratze lud Hesse ein. In dem Bretterregal stand Literatur über Che Guevara. „Guten Abend, Herr Dr. Hesse!“ Josef hieß ihn mit spöttischem Gesichtsausdruck willkommen. „Wie stehen die Aktien?“ „Habt ihr Stress mit den Bullen?“ Hesse ließ sich auf die Matratze sinken. „Wir leben in dem viel beschworenen, permanenten Ausnahmezustand“, grinste Josef, reckte mit revolutionärer Geste die Faust in die Höhe und ließ sich gemütlich in seinem Baststuhl nach hinten fallen.
Sie sprachen über dieses und jenes und der Joint machte seine Runde. Sie sprachen vom Hamburger Schietwetter und über den Bullenkrieg und Josef ließ ein wenig Koks springen. Sie sprachen vom Kampf der Selbstbestimmung hier in der Hafenstraße und von den Scheinverhandlungen des Senats mit der Räumungs- und Abrisspistole buchstäblich an ihrem Kopf, über Jörn Lose, der
zusammen mit anderen Hackern gerade in militärische US-Netzwerke einbrach, um die Daten an den KGB zu verkaufen, natürlich nur aus ideellen Gründen und Neugier, und über die Silberfischchen in der Küche, die sich partout nicht entfernen lassen wollten. Hesse begann zu frieren.

HESSE GEHT – Damian Maria Rabe
Ich habe null Bock auf euch
oder
Wie die strategische Ausrichtung der Produktqualität im freien Wettbewerb transparent & verantwortungsvoll zu handhaben ist und mit Blick auf bestehendes Marktrecht bei allen geschäftlichen Aktivitäten auf uneingeschränkte Aufrichtigkeit, Integrität & Fairness zu überprüfen ist
Hesse passierte die erste Polizeisperre. „Ausweis!“, knurrte der Polizeibeamte. „Wie bitte?“„Den Personalausweis, bitte!“ Hesse war genervt. „Sagt mal, ist das hier ein Bürgerkrieg mit Ausgangssperre oder was soll das?“ Er wollte weitergehen. Die anderen Beamten, die bis dahin locker gruppiert unter dem Schein der Straßenlaterne gewartet und lässig Zigaretten geraucht hatten, richteten sich auf, führten die Hände in Richtung Hüfte und kamen drohend näher. Hesse merkte: Die Anspannung, unter der sie standen, wollte zum Ausbruch kommen. „Welches Gesetz sagt, dass ich mich in Hamburg als unbescholtener Passant ausweisen muss? Ich kenne keins.“ Die Polizisten hatten ihn eingekreist, der Weg war versperrt. „Junger Mann, das ist meine letzte Aufforderung. Hier gibt es kein Gelaber! Den Ausweis!“ Hesse roch in seinem Atem die Hackboulette, die wohl sein Abendessen gewesen war. „Zeigt mir euren Einsatzbefehl.“ Hesse war noch mutig. „Das ist mein Recht, mein Bürgerrecht.“ „Ihr renitenten Arschlöcher“, zischte da der Beamte und sprang auf Hesse zu. Gleichzeitig spürte er, wie sein Arm in einem unmöglichen Winkel auf seinem Rücken verdreht wurde. Der Schmerz nahm ihm fast den Atem. Ein dritter Ordnungshüter riss gewaltsam seine Beine auseinander, indem er ihm seinen Oberschenkel mit dazugehörigem Stiefel in den Schritt stellte. „Wenn du glaubst, du kannst hier Pogo machen, bist du schief gewickelt. Wir sind schon mit ganz anderen fertiggeworden.“ Hesse sah noch ein goldenes Sternchen auf dessen Jacke, als er einen Schlag auf den Hinterkopf bekam, nach vorne stolperte und aufs Parkett fiel. „Du anarchistisches Stück Scheiße!“, schäumte der Hochdekorierte. „Wo hast du den Ausweis?“, und er wühlte in Hesses Mantel. „Ja, is ja gut!“ Hesses Kopf dröhnte. „Ihr habt gewonnen! Ihr habt verdammt noch mal gewonnen!“ Und er versuchte, mit der freien Hand sein Portemonnaie aus der Hosentasche zu ziehen. Drüben auf der Werft sah er den Funkeinflug eines Schweißgerätes in die Nacht sprühen. Er spürte den Stiefel im Kreuz und hielt still. „Thomas Bruno Hesse“, las das hochdekorierte Sternchen sachlich. „Was wollen Sie hier?“ „Ich bin zu keiner Auskunft verpflichtet.“ Hesse bewahrte seinen Bürgermut auch noch, als sein Kinn übel auf die Steine gequetscht wurde. „Pass mal auf, du versnobter Scheißer. Und wenn du der Papst oder sonst was bist, ich reiß dir den Arsch mitsamt deiner Boss-Hose auf, wenn du nicht gewillt bist, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Hesse wollte eigentlich nicht arbeiten. Er wollte nur einen Bekannten besuchen. Der wohnte zurzeit wohl in einem Kriegsgebiet. Das hätte der auch andeuten können. „Nichts, nur ein Besuch.“ Als sie Hesse runter bis zu den Hoden gefilzt und seine Personalien aufgenommen hatten, konnte er gehen. Die Schulter schmerzte ihn. Die zweite Sperre passierte er problemlos und auch die dritte ließ ihn glatt durch. Sie hatten sich wohl über Funk abgesprochen. Hesse kochte. Hätte er ein Schwert gehabt, er hätte blankgezogen, in die grüne Übermacht eingestochen und den einen oder anderen enthauptet. Ihn schüttelte es. „Ich bin es!“ Er klopfte laut an die verbarrikadierte Tür. Dann trat er einen Schritt zurück. Ganz oben öffnete sich ein Fenster. Ein Kopf schaute nach allen Seiten. In einem zweiten Fenster im ersten Stock erschien ein Latino-Gesicht, hielt einen Fotoapparat mit montiertem Blitzlichtgerät nach draußen und drückte ab. Für den Bruchteil einer Sekunde war die gespenstische Szenerie in gleißendes Licht getaucht. Dann, nach einer Weile, flog ein Schlüssel herunter. Auf der Fassade stand gemalt: „Haut ab. Geht doch kacken.“ Hesse grinste. Hier hatte er seine Freiheit. Unabhängiges, selbstbestimmtes Leben, Verzicht auf Komfort und Konsum, keine Führung, keine hierarchischen Strukturen. Er wollte Josef besuchen. Ihm eine Frage stellen. Josef sprach leise, hatte einen sanften Händedruck und ein sanftes Wesen. Er ging mit den anderen über hundert Bewohnern auf in der Sanierung dieser zwölf Häuser der Hafenstraße. Josef hatte als Schiffsingenieur und als Grafikdesigner gearbeitet. Zuletzt war er ein gut bezahlter Programmierer gewesen. Hesse hatte ihn über den abtrünnigen Jörn Lose kennen und schätzen gelernt, bevor sich Josef aufmachte, Blochs Utopie realiter umzusetzen und sich zu den Hausbesetzern zu begeben. Hesse nahm die Tür, ging rechts an der so genannten Volxküche vorbei, öffnete ein paar der armierten Wohnungstüren, an denen schon manche Kettensäge der Polizisten gescheitert war, erklomm eine marode Treppe, wagte gar nicht erst, das Geländer zu fassen, und stand plötzlich ohne Licht da. Die Zeitschaltuhr tauchte das Treppenhaus 116 ins Dunkel. Hesse aber kannte den Weg. Er tastete sich nach oben und stand im Zimmer von Josef. Der grüßte cool und winkte ihm, sich zu setzen. Eine abgewetzte Matratze lud Hesse ein. In dem Bretterregal stand Literatur über Che Guevara. „Guten Abend, Herr Dr. Hesse!“ Josef hieß ihn mit spöttischem Gesichtsausdruck willkommen. „Wie stehen die Aktien?“ „Habt ihr Stress mit den Bullen?“ Hesse ließ sich auf die Matratze sinken. „Wir leben in dem viel beschworenen, permanenten Ausnahmezustand“, grinste Josef, reckte mit revolutionärer Geste die Faust in die Höhe und ließ sich gemütlich in seinem Baststuhl nach hinten fallen.
Sie sprachen über dieses und jenes und der Joint machte seine Runde. Sie sprachen vom Hamburger Schietwetter und über den Bullenkrieg und Josef ließ ein wenig Koks springen. Sie sprachen vom Kampf der Selbstbestimmung hier in der Hafenstraße und von den Scheinverhandlungen des Senats mit der Räumungs- und Abrisspistole buchstäblich an ihrem Kopf, über Jörn Lose, der
zusammen mit anderen Hackern gerade in militärische US-Netzwerke einbrach, um die Daten an den KGB zu verkaufen, natürlich nur aus ideellen Gründen und Neugier, und über die Silberfischchen in der Küche, die sich partout nicht entfernen lassen wollten. Hesse begann zu frieren.

Sündenbock
In unscheinbaren Pappordnern bräunlich-grauer Färbung erreichen einige der schlummernden Dokumente aus der Zeit des Balver Hexenwahns den Münsteraner Lesesaal des LWL Archivamts für Westfalen.Ganz klar ist dieses Buch ein frei erfundener Roman – jedoch fußt seine Handlung auf den Überlieferungen und Akten aus dem ehe-maligen Amt Balve. Die Bettlerin Anna im Dreck, eines der ersten tatsächlichen Opfer des Hexenwahns, die Bürgermeisterin [deren Name Anneken Flörken aus einem Brief und dem Gedicht von Josef Pütter „Wachtläuh-Räusen“ („Wachtloh-Rosen“) zusammengesetzt wurde] und das Personal des Gerichts wie Henrich Roeßen und Johannes Höyngk sind historische Personen, ebenso ist das verübte Attentat auf den ungeliebten Hexenkommissar Caspar Reinhartz eine überlieferte Tatsache wie auch die dargestellten Abläufe der Prozesse. Auch wenn die Charaktere, die hier agieren, natürlich nicht vollends mit den historischen Vorbildern überein-stimmen können und werden.Die Überlieferung für das Amt Balve ist im Vergleich zu anderen Städten, trotz zahlreicher Stadtbrände und Wirren der Zeiten, recht gut erhalten. Das Archiv aus dem Sitz des Balver Drosten, dem Schloss Melschede, das unter anderem über die Prozesse Auskunft gibt, ist nach Münster umgezogen und lagert dort gut verwahrt in den Händen der Archivmitarbeiter. Erhalten sind unter anderem das Protokoll eines Verhörs, in dem eine Catrin Koening aus Affeln ihren Peinigern Rede und Antwort steht, aber auch die kalte, juristische Korrespondenz zwischen den rechtlichen Organen, die über die Schicksale der verdächtigen „Zauberischen“ zu entscheiden hatten. Briefe des Balver Richters Johannes Höyngk an seinen „hochedelgeborenen, strenggebietenden Herrn Droste“, Ferdinand von Wrede, dem Nachfolger Stephan von Wredes, unter Bezugnahme auf den Rat des Lizentiaten Caspar Reinhartz, sind ebenfalls erhalten und nennen Namen der zweiten großen Verfolgungswelle in den 1650er Jahren.Erschrocken war ich tatsächlich kurz nach meinem ersten Besuch 2011 im Münsteraner Archiv, als mir gleich auf der ersten Seite des Berges an Briefen Höyngks in fast unleserlicher Schrift und in verschachteltem Deutsch ein Name entgegenleuchtete, der mir nur allzu vertraut war – auch wenn ich zweimal hinsehen und ihn mühsam entziffern musste. Denn auch ein Grevener, ein gewisser Herman Grevener, hat sich offenbar zu dieser Zeit etwas zuschulden kommen lassen. So wurde der Wahn plötzlich auf eine sehr persönliche Ebene hinabgebrochen, denn meine Familie hat ihre Wurzeln im Balve benachbarten Garbeck. Dieser Herman Grevener könnte also einer meiner direkten Vorfahren sein. Schon zuvor hatte ich mich bei der gewaltigen Anzahl an Opfern und der recht kleinen Bevölkerungszahl gefragt, ob jemand aus meiner Familie den letzten schweren Gang zum Balver Galgenberg hatte gehen müssen. Immerhin starb jeder zwanzigste Einwohner (die Einwohnerzahl des Amtes Balve wird auf 6000 geschätzt) in den Mühlen der damaligen Justiz. Aber einen konkreten Hinweis in den Gerichtsakten auf einen Vorfahren zu finden, der in verblichener Tinte plötzlich vor mir stand, war dann doch ein emotionaler Moment.Ob Herman Grevener als Zauberischer verurteilt wurde, steht nicht im Brief des Richters, nur seine Bestrafung. Herman Grevener wurde gebrandmarkt, mit Ruten „außgestrichen“ und dann des Landes verwiesen. Wahrscheinlicher ist eine Verurteilung in Bezug auf sein mögliches Amt als „Procurator“ (eine Art „Anwalt“ und Rechtsberater), der seiner Partei wissentlich einen gefährlichen Weg bei ihrem Prozess geraten hat. Die Carolina, die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., die damals gültige Rechtsordnung, nennt die gegen Herman Grevener verhängten Strafen zumindest im Artikel 115, in dem es um diesen Straftatbestand geht, und ein weiterer Grevener ist als „Dorfrichter“ überliefert. Der erfundene Thonis Schulte, der Vater meiner Heldin Marie, basiert auf diesem Fund.Sicherlich wird es so mancher Familie aus Balve, Affeln, Garbeck, Mellen und weiteren Orten des alten Amtes Balve so gehen, wenn sie in dieses Buch schauen. Denn immer wieder tauchen Namen auf, die sich bis heute erhalten haben. Der Hexenwahn des 16. und 17. Jahrhunderts betrifft also direkt noch viele ansässige Familien, wird plötzlich persönlich greifbar, auch wenn er schon vor einigen hundert Jahren stattgefunden hat.

Schieferherzen
Das sagen Sauerländerinnen und Sauerländer zu dem historischen Roman von Hans Dürr?
Zurückgehend auf die Gründung des Klosters Grafschaft als Meilenstein der Besiedlung ist das Schmallenberger Sauerland bis heute liebens- und lebenswert. Die Wahrung von Tradition und Moderne sind Garanten für Wachstum und Erfolg seiner Gastronomie, des Handels, so wie der innovativen, stark differenzierten gewerblichen Wirtschaft in intakter Natur und Landschaft.
Bürgermeister Burkhard König, Schmallenberg
Bereits im Mittelalter legten Zimmerer, oft aus dem Sauerland stammend, grobe Schieferplatten wasserabweisend auf stabile hölzerne Dachkonstruktionen. Durch die Stadtbrände im Mittelalter, wie z.B. in Köln, trugen Schieferdächer zum Brandschutz bei. Damals haben „Schieferdecker“ zur allmählichen Herausbildung des heutigen Handwerksberufes der Dachdeckerinnen und der Dachdecker erheblich beigetragen.
Ralf Schütte, Leiter der westfälischen Dachdeckerberufsschule in Eslohe
Durch spannende Erzählweise und wunderbarer Sprache gelingt es dem Autor, eine lang zurückliegende Zeit vor unserem geistigen Auge zum Leben zu erwecken. Die Bedeutung der Klöster wird dabei nicht nur hinsichtlich der Christianisierung beleuchtet, sondern deren wichtigen Impulse für Landwirtschaft, Nahrungsmittelanbau, Hausbau und Straßenbau werden herausgestellt.
Pfarrer Peter J. Liedtke, Eslohe
Seit dem 9. Jahrhundert übernahmen Karl der Große und seine Franken die Kontrolle über das rohstoffreiche Sauerland. Um die Region wirtschaftlich zu erschließen, errichtete das Frankenreich ein enges Stützpunktsystem aus Klöstern. Die dort einzelnen Orden legten den Grundstein für die Christianisierung des Sauerlands.
Dr. Oliver Schmidt, Leiter des Sauerland-Museums in Arnsberg

Wir sind keine Weicheier
Wild- und Trüffelschweine sind gleichermaßen auf dem Platz vertreten
Es gibt zwei Sorten von Schweinen, die Wild- und die Trüffelschweine. Die Wildschweine werden jährlich mehr oder weniger erfolgreich von den Greenkeepern bekämpft, wenn sie mal wieder den Golfplatz mit einem Buddelplatz verwechseln. Dann gibt es noch die sogenannten Trüffelschweine, die man nicht bekämpfen kann, da es sich hierbei um die Gattung der Homo sapiens handelt, oder einfacher ausgedrückt, um Golfer, die den Platz nach Bällen abgrasen. Aber davon später mehr!
Wenn auf eins im Herbst Verlass ist, dann ist es die Anreise der Wildschweine mit der kompletten Verwandtschaft im Gepäck. Offensichtlich haben sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Golfplätze zu verwüsten, wobei sich ihr Hauptaugenmerk auf das Zerstören der Abschläge konzentriert. Eine echte Plage und ein fast aussichtsloses Unternehmen, sie zu vertreiben.
Die Greenkeeper geben alles, um sie irgendwie fernzuhalten. Da werden kilometerlange Elektrozäune gezogen, die so gut wie nutzlos erscheinen. Sie haben nur den einen Effekt, dass wir Umwege latschen müssen, um den Zaun zu umschiffen. Ortsunkundige Golfer laufen Gefahr, über besagte Zäune im hohen Bogen zu fliegen, da man sie kaum wahrnimmt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Wildschweine lauernd hinter den Bäumen hocken, sich über die Greenkeeper halbtot lachen und die Golfer observieren, um sich genau die Stelle zu merken, wo sie sich später gefahrlos anschleichen können.
Wahrscheinlich haben sie irgendwo im Wald einen Fernseher gebunkert und schauen sich öfters den Film: „Und täglich grüßt das Murmeltier“, an. Denn kaum haben die Greenkeeper mühselig die Orte der Attacken einigermaßen „geflickt“, sind sie in der Nacht wieder da und schaufeln alles fröhlich um. Eine zusätzliche Variante, um ihnen (den Golfern übrigens ebenso), die Lust auf einen Trip über den Platz zu vermiesen, sind Stänkermittel, die auf einen Lappen geträufelt und an Pfählen aufgehängt werden. Das Zeug stinkt fürchterlich. Für den ahnungslosen Golfer, der dieses „verminte“ Areal tagsüber quert, ist eine flache Atmung sowie Tuch vor Mund und Nase empfehlenswert, bevor er in Ohnmacht kippt.
Meine allerbeste Golffreundin und ich haben unsere eigene Methode, wir rauchen, hilft zwar auch nicht, aber lenkt von dem bestialischen Gestank ab. Der Geruch scheint die Wildschweine überhaupt nicht zu interessieren, sie treten unverdrossen ihre abendlichen „Startzeiten“ an. Als ich mit einer Golferin neulich über den Platz trabte, schnupperte sie und fragte: „Riechst Du es auch?“ „Jou, riecht irgendwie nach Maggi“, registrierte ich. „ Es sind hier in der Nähe Wildschweine, die sondern den Geruch ab“, klärte sie mich auf. Na klasse, mir ging die Düse! Sie musste es ja wissen, da ihr Mann Jäger ist.
Leicht panisch schritt ich eilig voran. Ich weiß nicht genau, wovor ich mehr Angst habe: Grottenschlecht zu spielen, vom Ball eines Mitspielers abgeschossen zu werden oder mit den messerscharfen Hauern eines Wildschweines Bekanntschaft zu machen. Jedenfalls habe ich jetzt ständig den Maggigeruch in der Nase, wenn ich mal alleine unterwegs bin, und schiele eher in Richtung Wald, als dass ich mich auf mein Spiel konzentriere, was sich vorsichtig ausgedrückt, suboptimal auf meinen Schwung auswirkt.
Bin ich froh, wenn die blöden Viecher irgendwann wieder auf wundersame Weise den Abgang machen. Weiß der Henker, wo sie sich dann aufhalten. Ist mir auch egal! Hauptsache weg. Wahrscheinlich hängen sie im Wald ab und planen schon die nächste Invasion für das kommende Jahr.

Giebelritt durchs Sauerland
In Winterberg fand von 1521 bis 1523 der erste für das Sauerland überlieferte Hexenprozess statt: das winterbergisch Halsgericht. Angeklagt wurden sechs Frauen und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Was bei diesem ersten Prozess erschreckt, ist die Hartnäckigkeit, mit der Winterberger Bürger auf ihren Vorwürfen beharrten und immer wieder an das Gericht herantraten. Sie ließen nicht locker, bis die Frauen verurteilt wurden. Die Hintergründe, die durchscheinen, könnten aus einer modernen Soap stammen. Da wird krakeelt und gespuckt, Beleidigungen getauscht, sich gegenseitig geschadet, Sex am Zaun praktiziert und geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist. Immer wieder sind es die gleichen Namen, die mit dem scheinbar aus diesen Streitereien resultierendem übernatürlichen Geschehen in Verbindung gebracht werden: Stine Kappen, die vom Speck-Hof, Adelheid vom Ebbinghofe, Gertrud Hesseken, Katharina Herder und des Anton Meisters Frau (vielleicht die Frau, die als die Schultesche im Protokoll auftaucht). Zum Zeitpunkt dieses Prozesses war die Feme-Gerichtsbarkeit von Bedeutung, und die Winterberger zogen nach Medebach, um dort die Frauen am Freistuhl der Zauberei anzuklagen. Freigraf Heinrich Beckmann hörte sich die Beschwerden an, schien aber skeptisch zu sein. Es sagte kein Geschädigter direkt aus, sondern andere Bürger, so etwa Heinrich Teichhof. Was er berichtet, ist nach heutigen Maßstäben Hörensagen. Vor allem geht es um wechselseitige Beleidigungen, man sei ein Zauberischer. In Winterberg lag der angebliche Schadenszauber, den die Zauberischen praktizierten, auf dem Butter- oder Milchzauber. Molketoversche, Milchzauberer, warf man sich gegenseitig an den Kopf. Der Freigraf blieb skeptisch und schickte die Delegation nach Hause. Hartnäckig erwirkten ie Winterberger im Jahr 1522 Haftbefehle, und es kam zu einem ersten Gerichtsprozess. Aussagen von Zeugen liegen nicht vor, offenbar reichten dem Gericht die Bekenntnisse der angeklagten Frauen – natürlich durch Folter entstanden. Adelheid vom Ebbinghof führte zunächst sehr real klingende Taten an: den Diebstahl einer Speckseite, von Bauernleinen oder Wolle. Besonders fantasievoll zeigte sich Gertrud Hesseke beim Namen ihres Teufelsbuhlen: Er hieße „Einhorn“. Sie gestand, dem Buntkirch das Bier auslaufen gelassen zu haben und Streiche gegen Braun Schöttler und einen Greben gespielt zu haben. Im Zentrum von Stine Kappens Aussage steht der Milchzauber, der ausführlich beschrieben wird: An drei Donnerstagabenden müsse man in des Teufels Namen ein Holunderrohr schneiden, dieses in die Milch geben und unter das Futter mischen. Dann müsse man die Milch mit dem Holunderrohr in das Butterfass geben und schon hätte man Butter und Käse in Hülle und Fülle. Zauber mit Tierhaaren, um das Vieh zu schädigen, oder ostienfrevel finden Eingang in die Aussagen. Dazu Schilderungen der Buhlschaft mit dem Teufel auf dem Teufelstanz an einem Heiligenhäuschen. Damit waren alle Voraussetzungen für einen Teufelspakt der Zauberischen mit dem düsteren Herrn und Meister gegeben. Dennoch wurden die Frauen nicht verurteilt. Es scheint, als habe das Gericht entschieden.

Kroatisches Doppelspiel – Bruno Schmidt
Ein Krimi, der sich im Schmallenberger Sauerland sowie an der Küste Kroatiens abspielt und das Umfeld von begeisterten Tennisspielern im Rentenalter beleuchtet. Eine kroatische Tennistrainerin und die Ereignisse während einer Tenniswoche auf der Insel Brac zeigen zwanzig Jahre nach dem letzten Balkankrieg auf, dass die Kriegswunden bei den Ethnien des ehemaligen Jugoslawien noch nicht verheilt sind. Michael Schneider, ein gebürtiger Sauerländer, hat sein Haus in München verkauft und ist zurück nach Schmallenberg ins Sauerland gezogen. Nach seiner gescheiterten Ehe will er in seiner alten Heimat sein Altenteil genießen und hat als begeisterter Tennisspieler das Seniorenteam des Tennisclubs in Schmallenberg verstärkt. Dieses Team will in der nächsten Saison in die Landesliga aufsteigen und hat für die technische Ertüchtigung die kroatische Tennislehrerin Alenka engagiert. Sie organisiert für die Mannschaft eine Tenniswoche mit anschließender Bootstour in Kroatien. Durch Zufall wird Michael Zeuge von eskalierenden Streitigkeiten ihrer Landsleute wegen eines Autounfalls und eines mysteriösen Todes-falls. In diesem Zusammenhang erfährt er von Alenka die leidvollen Verwicklungen ihrer Familie in den grausamen Balkankrieg, deren Auseinandersetzungen bis heute anhalten. Nach einem mysteriösen Unfall schlägt die Dortmunder Mordkommission wieder im Hotel Hubertus in Fleckenburg ihr Soko-Hauptquartier auf. Auch Michael Schneider versucht der Wahrheit näherzukommen und wird dabei selbst in die Vorfälle verwickelt.

Das Schützenfest abc von Peter Menne und Augustin Upmann
Was veranlasst zwei Westfalen, einer davon noch mit südniedersächsischem Migrationshintergrund, ein Schützenfest-ABC herauszubringen? Eine berechtigte Frage, der man sich stellen kann oder sogar muss, wenn man dieses Buch in Händen hält. Schützenbrüder oder Schützenschwestern mögen sich fragen, was es denn über das Schützenfest oder Schützenwesen Neues zu erkennen gäbe, dass Mann oder Frau nicht schon längst wüssten? Jede Menge im Zweifelsfall, denn man muss wissen, wer hinter dieser Idee steckt: zwei Westfalen, die das Wesen des Westfälischen seit Jahren im Visier haben: der Illustrator und Karikaturist Peter Menne, geboren in Delbrück und August Upmann, der uns mit seinen bitterbösen und schrägen Geschichten aus dem imaginären Dorf Suchtdrup humorvoll, bissig, komödiantisch, aber nie verletzend den Spiegel vor Augen hält.
Peter Menne und Augustin Upmann haben sich an die Arbeit gemacht, das Typische und das Spezielle des Schützenfestes herauszuarbeiten. Von A wie Antreten bis Z wie Zu-sammengehörigkeitsgefühl – oder in diesem Buch Zündkerze – haben die beiden Auto-ren zusammen mit annähernd 20 Schützenvereinen aus dem Münsterland, dem Sauer-land, aus Ostwestfalen und dem Lippischen das für sie Besondere an ihrem Fest her-ausgearbeitet. Dabei wurde sehr deutlich, welchen besonderen Wert das jährliche Schützenfest für die einzelnen Vereine darstellt. Aber auch, welche Orts- oder Ortsteil-prägende und integrative Funktion das Schützenfest für die Menschen hat.